Der Blizzard – Peter Dawson

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Der Blizzard – Peter Dawson

Rezension


Leseversion: STAR WESTERN TB – Band 24
Originaltitel: The Blizzard (1965)
Verlag: Pabel
Übersetzung: K. H. Poppe
Veröffentlicht: 1975
Status: Erstauflage
Seiten: 145

Autor: Peter Dawson
Realname: Jonathan H. Glidden

Galerie Fazit

Veröffentlicht: 10.08.2022

Rezension von Gottfried Marbler

Hintergrund

Die amerikanischen Schneestürme sind schon eine Gewalt für sich. Speziell die gefahrvollen Blizzards können verheerende Auswirkungen haben. Anders als in Europa und Asien gibt es in Amerika keine von Ost nach West liegenden Gebirge, sondern nur von Norden nach Süden verlaufende. Dadurch gibt es keine natürliche Barriere für die nordpolare Kälte, die sich so über die riesigen Landstriche bis weit in den Süden ausbreiten kann. Das wärmere Klima des Westatlantiks, der Karibik und des Golfs von Mexiko tragen zu diesen Wetterextremen ihr Scherflein bei, sobald sich die Luftmassen treffen und zu vermischen beginnen…

Inhalt

Die Kleinstadt Deertrail in Wyoming hat eine junge, hübsche Lehrerin bekommen. Alle Junggesellen der Umgegend haben ihr Glück bei ihr versucht. Doch sie entschied sich für Bill Pardee, einen Smallrancher, der sich noch dazu vom Großrancher Roy Glick einige Rinder ausleihen musste, um überhaupt mit der Zucht anfangen zu können. Niemand kann ihre Entscheidung nachvollziehen. Irgendwie ist der Wurm drin: Ausgerechnet das hübscheste Mädchen auf hundert Meilen nimmt sich den Hungerleider aus den Bergen!

Es wird sehr warm an diesem Frühlingstag. Niemand ahnt das Verhängnis, das in Form eines gewaltigen Blizzards auf die Menschen hier zukommt. Als es sehr kalt wird und zu schneien beginnt, schickt die Lehrerin, Mary McCandless, die Kinder heim. Für ein paar von ihnen etwas zu spät, denn nicht alle kommen rechtzeitig nach Hause! Bill Pardee macht sich indes auf, um sein Mädchen abzuholen wie jeden Freitag sonst auch. Doch der Blizzard lädt derart viel Schnee ab, dass er es nicht schafft, Mary zu erreichen, die er bei den Strikers vermutet, wo sie ein Zimmer bezogen hat. Dafür entdeckt er per reinem Zufall die beiden Striker-Girls dicht zusammengekauert in einem Schneehügel. Er baut sich und ihnen ein Iglu und schafft es, die Mädchen mit einem kleinen Feuer aufzutauen und sie so zu retten.

Tags darauf lässt der Blizzard nach. Pardee bringt die Mädchen zu den Strikers, erfährt da, dass Mary nicht im Haus ist und macht sich auf zur Schule. Aber dort findet er sie nicht, denn Mary verließ diese inzwischen. In ihrer Ahnungslosigkeit wird sie schneeblind im gleißenden Licht. Ein großer Mann, der am Vortag sein Pferd verlor und auch in einer Schneehöhle übernachtete, findet sie und bringt sie in eine abgelegene Weidehütte, um sie ungestört dort zu missbrauchen. Er spricht kein einziges Wort zu ihr; sie kann ihn nicht erkennen. Und dann kommt der zweite Blizzard über das Land, diesmal noch heftiger als zuvor.

Verzweifelt sucht Bill Pardee nach Mary, nachdem der Blizzard endgültig nachlässt. Durch die Beobachtung eines Cowboys findet er Mary McCandless und fällt aus allen Wolken, als er spitzkriegt, dass sie tagelang von einem anderen Mann in der Hütte vergewaltigt wurde! Er kann mit der Situation überhaupt nicht umgehen und wendet sich sogar von ihr ab, statt ihr beizustehen. In ihm ist nur noch unbändige Wut, denn er weiß, dass es nur ein Mann aus ihrer Gegend gewesen sein kann. Er wird ihn suchen und finden – und töten! Nur dieses eine Ziel hat er noch vor Augen. Aber je mehr er nachforscht, umso mehr muss er erkennen, dass der Vergewaltiger überaus umsichtig vorgegangen ist. Alle Spuren verlaufen irgendwann im Neuschnee oder auf dem Eis des zugefrorenen Creeks. Nur ein kleines Indiz findet er: Einen Zigarettenstummel auf dem Eis des Deer Creeks. Genau so einen, wie er auch welche in der Hütte fand. Aber kann er damit den Kerl überführen? Bald darauf wird auf ihn geschossen! Kam er dem Mann bereits zu nahe?

GALERIE (2 Bilder)

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Fazit

Ein etwas ungewöhnlich beginnender Western, der mich anfangs sehr an „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ von Mark Twain denken ließ, denn auch da ging es zu Beginn um das kleinstädtische Leben der Bewohner und vor allem der Kinder. Obwohl der Western nur insgesamt 140 Seiten Text hat, widmet der Autor viele Seiten der „Vorbereitung“ auf das zufällige Zusammentreffen der jungen Lehrerin mit ihrem Peiniger, der einfach nur die Tatsache ausnützt, dass die junge Frau schneeblind wurde und ihn so nicht sehen kann. Mary ist bereit, mit dieser Situation weiterzuleben und sie so schnell wie möglich zu vergessen, aber Bill Pardee ist so schwer davon betroffen, dass er sich innerlich von ihr abwendet.

Diese Zwiespälte arbeitet der Autor sehr gut heraus, aber auch alle weiteren Geschehnisse, die auf die junge Frau zukommen. Plötzlich reagieren die Leute feindselig auf sie, denn obwohl niemand von ihnen selbst auch nur ahnte, dass es einen so starken Blizzard geben wird, dass allen Ranchern etwa 90 Prozent ihrer Rinder erfroren, kreiden etliche Frauen und auch Männer ihr plötzlich an, dass sie den Blizzard nur als kleinen Schneesturm einstufte und die Kinder nach Hause schickte, statt sie in der Schule zu behalten. Dies gipfelt schließlich sogar in einem Rauswurf für sie! Auch Bill Pardee bekommt die Feindseligkeit der Menschen immer mehr zu spüren, weil er fast jeden Mann verdächtigt, der groß ist und schwarze Haare trägt, denn er fand ein paar davon im Bett in der Hütte.

Ebenfalls gut herausgearbeitet hat der Autor, wie sich der Verlust fast aller Rinder auf die Rancher, egal ob groß oder klein, auswirkt. Wie sie auf einmal großteils vor dem Problem stehen, kein Geld mehr zu bekommen und zu haben, die Schulden auf ihre Ranchen nicht mehr bedienen zu können und so weiter. Dadurch wächst in allen die Wut. Im ohnmächtigen Zorn wird stets nach anderen Schuldigen gesucht. Allen ist egal, dass niemand etwas für den Blizzard kann; der Zorn entlädt sich einfach. Als Bill Pardee noch dazu eine Idee hat, wie er mithilfe eines anderen unbeliebten Gebirgsranchers aus dem Geldproblem herauskommen kann, werden sogar Mordanschläge auf ihn und seine Helfer verübt! Ab da wandelt sich die Story erneut und wird nun zu einem richtigen Western.

Wer die anfängliche Durststrecke durchhält, dem bietet sich eine ausgeklügelte Story, die mit psychologischer Raffinesse auftritt und die Schwächen der “zivilisierten” Gemeinschaft schonungslos aufdeckt. Und so fügt sich jedes Detail zu einem faszinierenden Mosaik.

Hohe Empfehlung!

Gottfried Marbler, Juni 2022

 Bewertung

9 von 10 Revolverkugeln