Reite weiter, Fremder – Hal Warner

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Reite weiter, Fremder – Hal Warner

Rezension


Leseversion: LB Feldmann 1543
Verlag: Feldmann
Veröffentlicht: 1969
Status: Nachdruck
Erstauflage: WESTERN STAR (2) – Band 199 – “Und keiner war sein Freund” (1968)
Seiten: 255

Autor: Hal Warner
Realname: Helmut Werner

Galerie Fazit

Veröffentlicht: 14.08.2022

Rezension von Gottfried Marbler

Hintergrund

Erneut ein Western mit einem der stärksten Motive im Gepäck: Rache! Irgendwie kann ich mir dennoch nicht vorstellen, dass jemand als Zwölfjähriger einen Mord mit ansieht und fünf Jahre später aufbricht, um fünfzehn (!) Jahre lang auf der längst erkalteten Spur hinter den Mördern herzureiten. Das war damals fast ein halbes Erwachsenenleben! Nach einer solchen Verfolgungsjagd soll ein brauchbarer Mensch für die Gesellschaft aus diesem Mann werden? Ich meine, dass die Rastlosigkeit ihn nie wieder loslässt…

Inhalt

Ausgangspunkt ist ein sinnloser Mord an einem Farmer und dessen Sohn, weil zwei gejagte Verbrecher ihre abgehetzten Pferde tauschen wollen – und müssen. Der Farmer will seine guten Tiere nicht hergeben; er und der älteste Sohn bezahlen dafür mit ihrem Leben. Der zwölfjährige Sohn und dessen Mutter sehen alles mit an. Fünf Jahre später stirbt die Frau vor Gram, und der letzte Spross der Familie hat nur noch ein Ziel: Tödliche Rache an den Mördern um jeden Preis!

Rye Joscelyn kommt nach fünfzehn Jahren Verfolgungsjagd nach La Grande in Oregon. Eigentlich will er am nächsten Tag gleich weiter über den Deadman-Pass, gäbe es da nicht ein kleines Problem: Cain Brockman. Der Rancherssohn hält sich für den besten Schützen im ganzen Westen. Er provoziert Rye – wie alle anderen vor ihm auch – so lange, bis diesem nichts anderes übrig bleibt, als zur Waffe zu greifen – und Cain Brockman ist tot!

Unwissentlich hat Joscelyn damit eine Situation geschaffen, mit der er nicht rechnen konnte: Der despotische Rancher Noel Radigan will sich schon lange die Weidegründe der Brockmans einverleiben, um seinen Vergrößerungswahn auszuleben. Aber selbst sein Vormann Quade Holderness sowie sechs angeworbene Gunslinger dachten, dass sie gegen Cain Brockman nicht bestehen könnten. Nun ist alles anders geworden.

Obwohl Rye Joscelyn unschuldig am Tode Cains ist, plagen ihn Schuldgefühle, und so hilft er den Brockmans gegen die Raubranchermannschaft. Danach zieht er sich in ein kurz zuvor von ihm entdecktes Bergtal zurück, das er für bisher unbekannt hält. Doch Jinny, Cains Zwillingsschwester, hat es zuvor entdeckt und geheim gehalten. Als sie ihn “in ihrem Tal” beim Holzfällen für den Hausbau bemerkt, lockt sie im blinden Hass auf ihn Noel Radigans Revolverreiter ins Tal, damit diese den Mörder ihres Bruders erledigen.

Dadurch tritt sie etwas los, das sie nicht bedachte: Sie befindet sich auch in der Falle und hat von der brutalen Meute keine Schonung zu erwarten, im Gegenteil! Immer mehr kristallisiert sich heraus, dass sie und Rye keine Chance haben, dieses Tal lebend wieder zu verlassen. Quade Holderness und seine Schießer werden ihnen keine Gnade gewähren…

GALERIE (3 Bilder)

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Ein gravierender Fehler des Autors sowie des Lektorats

Rye Joscelyn erinnert sich an ein Tattoo des einen Mordgesellen. Auf Seite 202 steht geschrieben:
“Es war ein dorniger Rosenzweig mit zwei Knospen und einer Blüte…”

Auf Seite 242 sieht Joscelyn auf der Brust eines Sterbenden eine kunstvolle Tätowierung:
“Einen Rosenzweig mit einer Knospe und zwei Blüten…”

Ich bin kein Jurist, aber anhand dieser beiden Tattoos müsste heutzutage ein Angeklagter freigesprochen werden, weil die Tätowierungen nicht passen. Beim direkten Anblick wird kein dorniger Zweig gesehen und die Anzahl der Knospen und Blüten ist falsch angegeben. Also kann es dieser Mann nicht gewesen sein, wenn er es nicht zugibt!

Fazit

Der Leihbuchroman ist an sich gut verfasst worden, weist aber auch ein paar Logiklücken auf. So erinnert sich Rye Joscelyn an einen hünenhaften jungen Mann, erkennt ihn aber in dem hünenhaften Vormann nicht, ja, er verdächtigt diesen nicht einmal. Ebenso ergeht es ihm mit dem Rancher, bloß weil dieser sandfarbene oder gelbliche Haare hat, der Mörder aber damals rothaarig war. Im Alter sollen rote Haare sich gelegentlich sandig verfärben. Dafür hält die Tochter des bedrängten Ranchers eine alte Spencer Rifle in den Händen, gibt damit einen Schuss ab – und Joscelyn sieht im allerletzten Tageslicht, dass die Patronenhülse genau zu derjenigen passt, mit der sein Vater und sein Bruder abgeknallt wurden!

Es lebe der Zufall! Aber ohne diese Zufälle würden wohl die wenigsten Leihbücher sowie Heftromane funktionieren, ist deren Textlänge doch sehr eingeschränkt. Dennoch finde ich es stets etwas makaber, wenn so offensichtliche Körpermerkmale völlig übersehen werden, andererseits ein kleines Detail in der Dämmerung sofort wahrgenommen wird.

Guter Schreibstil, teilweise konsequente Handlung, aber mit dem deutschen „Verbrecher-Schonungs-Effekt“ ausgestattet, der aus einem zuvor tödlichen Schützen einen Mann macht, welcher stundenlang nicht ein einziges Mal jemanden trifft, nicht einmal jemanden verletzt!

Dennoch eine klare Leseempfehlung von mir!

Gottfried Marbler, Juli 2022

 Bewertung

7 von 10 Revolverkugeln